Created Time (2000)

Traktat der Zeit: Ein Schandwerk

Ein Schandwerk!

Das ist zumindest die veröffentlichte Meinung eines Bürgers der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen über eine Arbeit von Siegfried Schmidt, Stuttgart und Martin Schubert, Hoppetenzell; Beide durchaus mit Ansehen.

Allerdings geht es unserem Mitbürger wohl weniger um die künstlerische Arbeit, mehr doch um eine Schelte des Bürgermeisters und des Gemeinderats, der nicht das tut, was er persönlich für richtig hält. 

 

Für eine Auseinandersetzung mit Kunst ist das aber keine Basis. Natürlich sollte man - will man die Arbeit kritisieren - den Kontext kennen. Dieser wurde auf der Vernissage vermittelt. Aber machen Sie sich selbst ein Bild. An der Ostmole des Hafens Unteruhldingen, wo die Abeit stand, geht das leider nicht mehr.

Das "Ding" wurde entsorgt. Die eigentliche Kunstsachverständigen sind allerdings die ansässigen Gartenzwerge ...

Die wirklich kunstinteressierten Uhldinger sind Gartenzwerge.

Dies meint jedenfalls eine Gruppe von - nach Pressebericht - fünf Unbekannten auf einer Tafel mit Trauerrand, angebracht neben einer Gruppe von tatsächlichen Gartenzwergen, aufgebaut in der Nachbarschaft der Installation "Created Time", die die fünf nicht mögen, warum auch immer...

Endlich wissen wir das auch, 

der Rest der Uhldinger, die einfachen Leute, die schweigende Mehrheit ....

Sie fordern eine erklärende Tafel an diesem "unsäglichen Kunstwerk" am Hafen, 

der Installation "Created Time". Wurde doch versprochen...

Ob das was nützt ? Ob die fünf sowas lesen ?

Gartenzwerge können nicht lesen, sie brauchen das nicht können, für ihre Stiefmütterchen, sie wissen aber alles ...

Scheinbar bewegt "Created Time" doch, mindestens die fünf und die Gartenzwerge.

Damit ist es aber zweifellos Kunst.

Gartenzwerge sind ja auch ehrenwerte Bürger unserer Gemeinde. Schön, daß sie und die fünf eine Meinung haben. Zwar die fünf nur des nachts, wenn keiner da ist, nicht einmal die schweigende Mehrheit.

Im übrigen sollte man den fünf einen Orden verleihen, soviel Presse hatte Uhldingen schon lange nicht mehr. Geht aber nicht, weil anonym.

Das alles ist schon Vergangenheit, war Anfang 2000, sozusagen der Aufbruch ins neue Jahrtausend ....

Vortrag auf der Vernissage am 12.2.2000

 

Guten Abend meine Damen und Herren, herzlich willkommen zum Abschluß der " Klammer der Kunst ", wie Herr Bürk unsere Ausstellung und unsere Aktionen rund um die Veranstaltungsreihe "Zeitkulturen" hier in Unteruhldingen - Mühlhofen so treffend nannte.

 

Tatsächlich wird heute diese "Klammer" mit dem " Traktat der Zeit " und der Vollendung vom Leporello "created time" mit einem gewaltigen Kraftakt geschlossen. Erste Station wird die Ostmole sein. Hier werden wir das "Traktat der Zeit" erstellen.

Sie werden sich sicher fragen, was ist ein Traktat? 

Laut Wörterbuch: eine Abhandlung über ein Problem des geistigen, kulturellen oder allgemeinem Lebens, Darlegung eines Sachverhalts in tendenziöser Absicht als Flugschrift oder Broschüre.

 

Nun sind wir allerdings keine schreibenden, sondern bildende Künstler, wir erweitern also de Begriff Traktat als Darlegung eines Sachverhalts in tendenziöser Absicht, um die bildliche Umsetzung in dritter und vierter Dimension. Die Tendenz liegt auf der Hand. Sie hier in Unteruhldingen erhalten eine gewaltige Skulptur, die Ihnen den vom Menschen geschaffenen eisenharten Zeittakt, Ordnungsmacht und Joch unserer Epoche zugleich, täglich vor Augen hält. Eisenharte Zeitstäbe werden durch den Kontrast zum Lebenstoff Mulch für all die eine Provokation sein, die dem selbstgeschaffenen Zeitstress fliehen und sich nun hier dem visualisierten Zeittakt ausgesetzt sehen. Hier am Ort der Zeit ohne Takt, eine Gelegenheit zur Reflexion des eigenen Zeitwertes.

 

Das Traktat der Zeit als Lehrstück und Spiegel für den homo technikus.

Aber damit nicht genug, das Werk wird dokumentiert, jeder Zeitstab wird örtlich genau vermessen, die Koordinaten werden in das Leporello hier eingetragen. Orte, Winkel, Signale der Zeit werden verbunden mit der "Blauzeit" und den Schwarzpfeilen. 

Die Außenraumzeitortinstallation wird zur Innenraumzeitortdokumentation.

Wenn man darüber redet, wird auch das Einfachste gleich kompliziert und unverständlich. (H. Hesse)

 

Meine Damen und Herren ich lade sie ein sich ein Bild von unserer Arbeit zu machen. Begleiten Sie uns zur Ostmole. Sobald wir dort mit Einsetzen und Einmessen fertig sind geht’s wieder hier her zurück, ich werde "created time" fertigstellen, werfen Sie einen letzten Blick auf die Skulpturen und Bilder und denken Sie wie Lichtenberg:

 

"Wer zwei paar Hosen hat, mache eine zu Geld und schaffe sich eins dieser Kunstwerke an. "

"Guten Tag", sagte der kleine Prinz.

"Guten Tag", sagte der Händler.

Er handelte mit höchst wirksamen, durststillenden Pillen. Man schluckt jede Woche eine und spürt überhaupt kein Bedürfnis mehr, zu trinken.

"Warum verkaufst du das?" sagte der kleine Prinz.

"Das ist eine große Zeitersparnis", sagte der Händler. 

"Die Sachverständigen haben Berechnungen angestellt. Man erspart dreiundfünfzig Minuten in der Woche"

"Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?"

"Man macht damit, was man will ....."

"Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrig hätte", sagte der kleine Prinz, "würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen......"

Vorarbeiten